New Work ‒ Selbstmanagement ‒ Digital Workflow : Beiträge von 2012 bis 2015
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Optimieren war gestern: Das Wissen und die Digitalisierung

4640913024_e83bd1c976_oWissen wird im digitalen Zeitalter zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Unternehmen und Kunden fehlt in Deutschland allerdings häufig die Offenheit für Neues, um die Digitalisierung als Chance für zukünftige Geschäftsmodelle zu begreifen. Das hängt vor allem damit zusammen, dass das Streben nach Optimierung in Deutschland weit verbreitet ist. 

Wer sich durch Wissen zukünftig einen Geschäftsvorteil vor der Konkurrenz sichern will, ist sicherlich falsch beraten, dabei auch weiterhin Optimierung und Kontrolle als wesentliche Bezugsgrößen zu verstehen. Das Teilen von Wissen als Basis des eigenen Geschäftsmodells ist gerade im Internet mit einer Geisteshaltung verbunden, die für mehr Offenheit und Experimentierbereitschaft steht. Da wären wir allerdings auch schon bei einem wesentlichen Problem der Deutschen angelangt: Viele Unternehmer und Kunden scheuen hierzulande nach wie vor das Experiment, sind also grundsätzlich weniger offen für Neues und verteidigen lieber den Status Quo.

Das wäre auch soweit nicht weiter tragisch, wenn auf der anderen Seite der Prozess der Digitalisierung nicht so gravierend und unaufhaltsam in nahezu alle Lebens- und Arbeitsbereiche fortschreiten würde. Sehr evident wird diese Entwicklung anhand folgender Frage: Wie steht es um die nächste Welle der Automatisierung in der globalen Arbeitswelt von heute?

Automatisierung – Kreativität – Wissen

Das folgende Beispiel veranschaulicht diese Frage anhand einzelner Ergebnisse aus einer empirischen Studie aus den USA aus dem Jahre 2013. Die Studie trägt den Titel „The Future of Employment“ und stammt von den beiden Wissenschaftlern Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne. Dabei zeigt sich anhand dieser Studie, dass bei allen zukünftigen Tendenzen zur Automatisierung am Ende jene ureigenen besonderen Fähigkeiten des Menschen übrig bleiben, die sich eben nicht automatisieren lassen: etwa sein Kommunikations- und Verhandlungsgeschick, die Fähigkeit zur Empathie oder Originalität; kurzum: vor allem kommunikative und kreative Fertigkeiten.

Was sich allerdings auf der anderen Seite dabei auch zeigt, ist, dass scheinbar wesentlich mehr Bereiche zukünftig automatisiert werden können, als wir bis dato immer angenommen haben: Längst sind nicht mehr nur primitivere und einfachere Tätigkeiten davon betroffen: das alte Bild von Chaplin am Fließband gilt also nicht mehr. So prognostizierten etwa Wissenschaftler der Universität Oxford, dass auch ein Großteil der heutigen Arbeitsplätze in den Bereichen Verkauf, Büro und Verwaltung zukünftig automatisiert werden kann. Lesen Sie dazu unbedingt auch folgenden Beitrag aus der Technology Review: Computer machen die Arbeit. Was machen wir?.

„Als schwer ersetzbar gelten u. a. Feinmotorik, Originalität, Empathie, Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft“, so heißt es in dem Beitrag „Computer machen die Arbeit. Was machen wir?“ in der Technology Review. Magazin für Innovation, Ausgabe 11/2013, S. 35. Das Zitat lässt sich auch sehr gut auf die oben angeführte Darstellung beziehen, die ich ebenfalls aus dem Beitrag zu der Zukunft der Arbeit aus der Technology Review entnommen habe. Dabei steht M für 1000, was bedeutet, dass 400M dementsprechend für die Beschäftigungszahl 400.000 steht. In dieser Grafik geht es darum, die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Automatisierung für verschiedene Branchen (etwa Management, Verkauf und Produktion) in den USA nach einer empirischen Studie von Frey & Osborne aus dem Jahre 2013 hochzurechnen. Grundlage der Prognose ist, wie gut bestimmte menschliche Fertigkeiten durch Maschinen ersetzt werden können. Dabei ergibt sich, dass bestimmte Fertigkeiten und Kompetenzen eben nicht ersetzbar sind. Dazu gehören u. a.: Originalität und Verhandlungsgeschick; kurzum vor allem kommunikative und kreative Fähigkeiten.

Deshalb wird es zukünftig sicherlich zu einem echten Problem, wenn wir bei Wissensstrategien, die eng mit dem Internet, mit Social Media, mit IT-Dienstleistungen, PCs, Smartphones und Cloud Computing zusammenhängen, an unserem liebgewonnenen Status Quo festhalten und uns nicht auf unsere eigentlichen Qualitäten besinnen: Kreativität, Kommunikation und Innovationswillen, um neue digitale Geschäftsmöglichkeiten und Nischen zu erschließen. Denn genau hier werden wir schon bald immer schneller an unsere Grenzen stoßen, nämlich wenn wir weiterhin glauben, bewährte Rezepte wären die passende Reaktion auf grundlegende radikale Veränderungsprozesse, die sich insbesondere durch das Internet anbahnen.

Die fehlende Bereitschaft zum Risiko

Dieses hausgemachte Problem lässt sich in Deutschland auch sehr gut daran festmachen, wie wenige größere Unternehmen hierzulande existieren, die beispielsweise im IT-Sektor international konkurrenzfähig sind. Eine der wenigen nennenswerten Ausnahmen ist SAP.

Nach Zahlen der Boston Consulting Group geraten in Deutschland und Europa viele Unternehmen mehr und mehr auf die Hintertreppe, wenn es um den digitalen Sektor geht: So erreichten 2010 etwa alle 27 EU-Staaten gemessen am Bruttoinlandsprodukt gerade einmal 3,8 %. In den USA waren es dagegen immer noch 4,7 %.

Die fehlende Bereitschaft zum Risiko wird auch von einzelnen experimentierfreudigeren Unternehmern in Deutschland bestätigt. Ein Beispiel dafür ist etwa die Geschichte des Unternehmers Jörg Bienert – Geschäftsführer der Softwarefirma Parstream – und Anbieter von Big-Data-Analysen mit Sitz in Köln. Nachdem Bienert im vergangenen Jahr noch ein Büro in Kalifornien unterhielt, durfte er in der Zwischenzeit erfahren, wie schwierig es in Deutschland häufig ist, Kunden von neuen digitalen Produkten zu überzeugen.

In Kalifornien – dem Mekka für große Innovationen im IT- und Social Media-Sektor ist das kaum vorstellbar. Da sich Bienert aber auf seine Erfahrungen und einzelne Kontakte aus seiner Zeit in Kalifornien verlassen kann, ist er demnach trotzdem bestens für den deutschen Markt gerüstet, auch wenn mögliche Investoren und Kunden hierzulande zuweilen scheinbar im Dornrösschenschlaf verharren, wenn man die Innovationsgeschwindigkeit in Kalifornien als Maßstab setzt.

Das gilt ebenso für das Teilen von Wissen und das Sich-Einlassen auf eine Form der Kommunikation, die sich durch das digitale Zeitalter immer mehr herauskristallisiert: Direkt und wesentlich offener, stark beschleunigt, transparent und wesentlich weniger streng reglementiert. Auch hier ist SAP ein gutes Beispiel. So findet bei SAP aktuell eine Art von Coaching-Revolution statt.

Die Revolution von oben nach unten

Coaching – das bedeutete früher vor allem Unterstützung von Führungskräften bei grundsätzlichen Fragen wie: Wo stehe ich? Wo will ich hin? Genau dieses Prinzip hat SAP vom Kopf auf die Füße gestellt, um das Potential der Mitarbeiter und deren Wissen zu bündeln. Die Idee: Jeder Mitarbeiter ist ein Talent und hat prinzipiell die Möglichkeit, ein Coaching in Anspruch zu nehmen. Und als wäre das nicht genug, so kann theoretisch auch jeder Mitarbeiter zum Coach werden und andere Mitarbeiter coachen.

Gerade im IT-Sektor ist eigenes Denken und Handeln, das Entwickeln von innovativen Ideen bei einer häufig irren Geschwindigkeit besonders wichtig. Ein ausgeklügeltes und allen Mitarbeitern prinzipiell zugängliches Coaching-Programm bedeutet an dieser Schnittstelle, mehr auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter einzugehen, um dadurch auf der anderen Seite durch diese Art von Kommunikation auch mehr die Kreativität und Innovationsfähigkeit gedeihen zu lassen. Tracey Arnish – die bei SAP alle Schulungs- und Weiterentwicklungsprogramme rund um die Erde verantwortet –, nennt dafür folgendes Beispiel: „Ingenieure sind darin geschult, für jedes Problem gleich eine Lösung zu suchen. Wenn sie dann den Mitarbeiter versetzen, ersticken sie deren Kreativität.“

Neue Spielarten der Kommunikation schaffen Wettbewerbsvorteil

Die grundsätzliche Offenheit bildet somit die Basis für einen gelungenen Kommunikationsprozess, in dem Kreativität und Innovation mehr gefördert werden sollten. Grundentscheidend ist dabei auch die zukünftige Rolle von Expertenwissen und Beratung: Unsere Wirtschaft basiert immer mehr auf intellektuelle Fähigkeiten und kreative Lösungskompetenz, die für einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil stehen. Das Expertenwissen ist in diesem Zusammenhang nicht mehr nur in einzelnen speziellen Abteilungen oder bei Personen in höheren Positionen vorzufinden, etwa bei Managern, sondern kann prinzipiell an allen möglichen nur erdenkbaren Orten innerhalb eines Netzwerks vorgefunden werden.

Ein gutes Beispiel ist vor diesem Hintergrund auch der Bericht eines amerikanischen Beraters (Quelle: Harvard Business Manager Nr. 4 | 2013. Themenschwerpunkt: Der perfekte Verkäufer, S.19)  – sein Name Mark Schaefer –, bei dem es darum ging, genauer auszuwerten, welche Mitarbeiter den größten Einfluss in sozialen Medien wie Facebook und Twitter haben. Dabei kam am Ende anhand eines Unternehmensbeispiels heraus, dass 80% der Sozialnetzwerker gar nicht aus Abteilungen kamen, die dafür an sich besonders prädestiniert wären, etwa Personen in den Abteilungen Öffentlichkeitsarbeit, Vertrieb und Marketing.

Was lehrt uns dieses Beispiel? Die traditionellen Fachgrenzen gelten anscheinend schon lange nicht mehr, wenn es um die Kommunikation im Social Web geht. Viele Personen können dementsprechend durchaus den größten Einfluss in sozialen Medien innerhalb eines Unternehmens ausüben, auch wenn sie beispielsweise keine professionell ausgebildeten PR-Referenten sind. Genau das ist auch ein weiterer Beleg für die Revolution von oben nach unten.

Meine Erfahrung sagt mir dabei zudem, und das gilt keineswegs nur für größere Unternehmen wie SAP, sondern generell für sämtliche Personen und Organisationen, die professionell mit Wissensfragen zu tun haben, und die dabei verstärkt auf die Möglichkeiten des Internets setzen wollen, dass wir zukünftig noch viel mehr Mut zum Experiment bei dem Transfer und der Verbreitung von Wissen aufwenden sollten.

Denn noch nie zuvor gab es so viele neue Möglichkeiten in der Kommunikation von Wissen zu entdecken – dem Internet sei Dank! Dabei wandeln sich selbstverständlich auch die Kommunikationsformen in den Unternehmen. Ein gutes Beispiel dafür sind Webinare: sogenannte Online-Seminare, in denen wichtiges Wissen vermittelt werden kann. Derartige Seminare bieten sich auch dafür an, Mitarbeiter punktuell zu schulen und in Echtzeit bestimmte Probleme zu lösen. Vorstellbar ist in diesem Zusammenhang auch, dass einzelne Mitarbeiter Webinare dazu nutzen, andere Mitarbeiter regelmäßig zu schulen und bei Bedarf durchaus auch in der eigenen Entwicklung durch Coaching zusätzlich zu unterstützen. So können Sie das Expertenwissen vor Ort nutzen, ohne externe Berater, Trainer oder sonstige Experten einkaufen zu müssen und sparen dementsprechend eine Menge Geld.

Sie sehen also: All diese tollen neuen Möglichkeiten in der Kommunikation von Wissen werden auch für Unternehmen zukünftig eine immer größere Rolle spielen, um sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil zu sichern. Daher lautet meine Empfehlung: Weniger Optimierung und Kontrolle und mehr Mut zum Experiment, wenn es um die Vermittlung und Verbreitung von Wissen in wirtschaftlichen Zusammenhängen geht!

Text: Marcus Klug

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Weiterführende Literatur und Internetquellen:

  • A. Osborne, M.; Frey, C. B. (2013): Scientific Study „The Future of Employment“. Frei abrufbar unter folgender Online-Quelle: http://www.futuretech.ox.ac.uk/sites/futuretech.ox.ac.uk/files/The_Future_of_Employment_OMS_Working_Paper_1.pdf.
  • Bruhns, A. (2013): Die Coaching-Revolution. In: Der Spiegel | Wissen | Nr. 3 | 2013, S. 36-43.
  • Grötker, R. (2013): Computer machen die Arbeit. Was machen wir? In: Technology Review | Nr. 11 | 2013, S. 32-37.
  • Giamanco, B.; Gregoire, K. (2013): Getwittert, gepostet, gekauft. In: Harvard Business Manager. Der perfekte Verkäufer | Edition 4 | 2013, S. 16-21.
  • Koenen, J.; Schröder, M. (2013): Das digitale Debakel. In: Handelsblatt | Donnerstag, 24. Oktober 2013, S. 4.
  • Schröder, M. (2013): Scheu vor neuen Produkten. In: Handelsblatt | Donnerstag, 24. Oktober 2013, S. 5.

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