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Zukunft der Arbeit: Interview mit Sascha Stowasser

Die digitale Transformation erfasst inzwischen viele Lebensbereiche und wird auch die Arbeitswelt stark verändern, dieser Wandel wird sehr unterschiedlich beurteilt. Digitale Technik kann zu Arbeitserleichterung führen, zu mehr Flexibilität in der Organisation und Abläufen und damit zu mehr Gestaltungsspielräumen. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass Menschen in einer digitalisierten Arbeitswelt immer unwichtiger werden.

Arbeitsabläufe in der Industrie und Wissensarbeit werden zunehmend durch Computerprogramme ersetzt, eine flexible Arbeitswelt kann auch den Einzelnen auch austauschbarer machen. Zur Frage, wie die Arbeitswelt sich in Zukunft entwickeln könnte, führe ich ein Interview mit dem Arbeitswissenschaftler Prof. Sascha Stowasser.

Herr Prof. Stowasser ist seit 2008 Direktor des Instituts für angewandte Arbeitswissenschaft. Neben einer Laufbahn als Ingenieur absolvierte er ein Zweitstudium der sozialen Verhaltenswissenschaften. Nach seiner Habilitation 2005 und einer Führungsposition in der Bosch Rexroth AG ist er seit 2009 außerplanmäßiger Professor am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Herr Prof. Stowasser forscht intensiv zum Thema Arbeit der Zukunft, dabei untersucht er neben technischen auch organisatorische und kulturelle Fragen der Veränderungen in der Arbeitswelt.

Herr Stowasser, Sie erforschen schon länger die Entwicklung der Arbeit in Deutschland. Was sind Ihre Beobachtungen der letzten Jahre?

Noch die zuvor war die Arbeitswelt so gut ausgeprägt wie heutzutage. Die Arbeit in Deutschland zeigt sich als Prof. Dr. Ing. Sascha Stowasser, Direktor ifaa / Weiterer Text über OTS und www.presseportal.de/pm/82380 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/ifaa - Institut für angewandte Arbeitswissenschaft e. V./Tania Walck"wesentlich gesünder, zunehmend flexibler und auch wirtschaftlicher als denn je. Dieser Trend bestätigt ein bereits seit langem gültiges arbeitswissenschaftliches Prinzip: Arbeit muss in einem Hochlohnland wie Deutschland äußerst produktiv sein, kann dabei auch humanorientiert gestaltet sein und nicht auf Kosten der Beschäftigten gehen. Die Arbeitsverhältnisse sind ergonomisch gestaltet, d.h. Beschäftigte werden durch Handhabungshilfen unterstützt, die Umgebungsverhältnisse sind gut, sinnvoll geplante Schichtarbeit ist nicht mehr das lästige Übel. In vielen Unternehmen wird die Voraussetzung geschaffen, dass Mitarbeiter lange gesund und leistungsfähig beschäftigt werden können. Natürlich erkenne ich auch, dass bei all dem aufgezeigten Wandel zu einer besseren Arbeitswelt immer noch Unternehmen im alten Trott funktionieren und diesen Weg erst noch erkennen und einschlagen müssen.

Die Digitalisierung scheint die Arbeitswelt in Zukunft stark zu verändern. Was werden Ihrer Meinung nach die Trends der Zukunft sein?

Bedeutender Trend der digitalisierten Arbeitswelt ist die Bereitstellung von Echtzeitinformation zur richtigen Zeit, am richtigen Ort und in der richtigen Qualität. Dies sowohl in Dienstleistung, Verwaltung und Produktion. Über mobile IT-Systeme bekommen die Beschäftigten genau die Informationen, die sie gerade benötigen. Konkrete Beispiele: Über ein Tablet bekommt der Wartungsmonteur die zu montierenden Teile direkt an der Maschine visualisiert, der Logistiker im Betrieb erfährt über eine Datenbrille die exakte Ablagestelle eines zu kommissionierenden Teiles und den Weg dorthin. Informationen werden greifbar, sodass auch geringqualifizierte Beschäftigte in die zukünftige Arbeitswelt integriert werden können.

Ein weiterer Trend ist der zunehmende Einsatz vernetzter und intelligenter Systeme. Nach computergestützter Informationsübertragung, Online-Handel und Social Media vernetzt die nächste Generation des Internets unzählige Produkte, Geräte und Menschen untereinander. Bald werden Milliarden Geräte wie Sensoren, Sicherheitskameras, Hausanlagen, Fahrzeuge und Maschinen miteinander vernetzt sein. Die Arbeitswelt wird dadurch entscheidend geprägt. Die Leistungserfüllung wird nicht mehr starr im Unternehmen stattfinden: Flexible Arbeitszeit sowie Entkopplung Unternehmen und Arbeitsort werden zur Tagesordnung.

Wie können wir damit umgehen, dass durch digitale Technik immer mehr Arbeitsplätze wegfallen? Computerprogramme werden in Zukunft mehr einfache Aufgaben übernehmen und werden schon in Büros eingesetzt. Werden wir eine Phase technologischer Arbeitslosigkeit erleben?

Nein, wir werden keine technologische Arbeitslosigkeit im großen Stil erleben. Wir werden auch keine menschenleeren Fabriken und Büros haben. Unvernünftig wäre es, jetzt Horrorszenarien zu verbreiten, die tausende oder millionenfache Arbeitslose prognostizieren. Grundsätzlich wissen wir noch nicht, ob und welche Arbeitsplätze wegfallen.

Oft wird das Potenzial von Automatisierung in Berufen oder von Arbeitsplätzen überschätzt. Oft werden bei der Implementierung von neuen Technologien die gesellschaftlichen, rechtlichen und ethischen Hürden nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Zudem kann nicht auf Effekte auf die Gesamtbeschäftigung geschlossen werden. Häufig verändern neue Technologien Arbeitsplätze nur. Sie beseitigen sie nicht. Beschäftigte gewinnen mehr Freiräume für die Tätigkeiten, die nicht automatisiert werden können. Ein Beispiel: Das Berufsbild des Uhrenmachers wandelt sich von der heutigen durch präzisen Handarbeit geprägten Berufsform zum Programmierer von digitalen Modellen für den 3D-Uhrendrucker. Die kreativen Freiheitsgrade steigen dadurch immens.

Sicherlich werden wir – wie auch bei den technologischen Evolutionen zuvor – gewisse Freistellungseffekte erleben. So konnte der Heizer auf der Dampflok aufgrund technischer Fortentwicklung zur Diesel- und Elektrolok die bislang ausgeübte Tätigkeit auch nicht mehr ausführen. Auf der anderen Seite werden viele neue Berufe entstehen. Der durch neue Digitalisierungsberufe entstehende Kompensationseffekt kann für Deutschland eine große Chance werden. Es wird ein Markt für neue Berufe entstehen. Wir benötigen App-Programmierer, 3D-Modellierer; Fahrzeuge werden zunehmend elektronisch gesteuert und benötigen spezialisierte Fahrzeugelektroniker.

Digitale Technik bietet auch mehr Flexibilität. Welche positiven Auswirkungen sehen Sie darin, dass wir heute mit dem Computer sehr viel einfacher kommunizieren und Informationen austauschen können?

Flexibilisierung bringt mehr Menschen in den Arbeitsmarkt, wie zum Beispiel Teilzeitbeschäftigte, und ermöglicht Flexibilität bei lebenssituationsorientierten Arbeitszeiten der Beschäftigten, die Familie, Weiterbildung oder Pflege von Angehörigen mit dem Beruf vereinbaren müssen.

Neben der Flexibilisierung unterstützen digitale Assistenzsysteme Leistungsgeminderte und Ungelernte bei der Arbeit. Selbst die Integration von Flüchtlingen kann beispielsweise durch Datenbrillen, die in verschiedenen Sprachen die Arbeitsprozesse erklären, erleichtert werden.

Welche Chancen bietet die Digitalisierung für für die Arbeitswelt der Zukunft? Wie können wir die Digitalisierung so gestalten, dass die Arbeit in Zukunft lebenswerter wird?

Für die Beschäftigten bedeutet Digitalisierung mehr Flexibilität, anspruchsvollere Tätigkeiten, an die eigenen Ansprüche angepasste Informationsbereitstellung und Erleichterung bei monotonen Routinetätigkeiten. Neben der erhöhten Informationsverfügbarkeit verbessert die Digitalisierung die Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse im Unternehmen. Kurzum: Die Digitalisierung bietet viele überzeugende Chancen.

Bei all dem Optimismus können wir es mit der Digitalisierung auch übertreiben. Wenn wir die Arbeit in der digitalen Zukunft so gestalten, dass wir – die Menschen – nur noch Anhängsel von digitalen und intelligenten Systemen und Maschinen werden. Hier zähle ich auf eine moralisch und ethische Grundsatzdebatte, die einerseits die zahlreichen Vorteile der Digitalisierung, andererseits natürlich die arbeitsschutzrelevanten Aspekte berücksichtigt.

 

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