Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Was bringt die Digitalisierung, welche Rolle spielt dabei die Globalisierung? Die Ökonomin Lynda Gratton bietet in ihrem Buch Job Future – Future Jobs einen Ausblick auf die nächsten zehn Jahre. Neben der Digitalisierung werden sich auch demographische und gesellschaftliche Faktoren auf die Zukunft der Arbeitswelt auswirken.
Lynda Gratton ist beruflich mit Fragen der Zukunft befasst und mit Zukunftsszenarien. Sie leitet eine Forschungsgruppe, die zukünftige ökonomische Entwicklungen antizipiert und Studien zur Arbeitswelt der Zukunft erstellt. Die Ergebnisse dieser Arbeit fasst die Ökonomin 2015 in ihrem lesenswerten Buch Job Future –Future Jobs zusammen, in dem Sie aus den Trends von heute Prognosen für die Arbeitswelt der nächsten zehn Jahre erstellt.
Das Buch ist keine trockene wissenschaftliche Studie, es steckt zwar erkennbar viel Detailarbeit in dem Text, die Ergebnisse werden aber anschaulich, anhand von Geschichten über die Arbeitswelt im Jahr 2025 erzählt. Sie analysiert dazu die aktuellen Entwicklungen und leitet daraus Szenarien von zukünftigen Entwicklungen ab. Diese Ableitungen sind nie eindimensional, sondern beziehen verschiedene Zukunftsmöglichkeiten mit ein. Die Trends von heute können sich sehr unterschiedlich weiterentwickeln, dabei spielt es auch eine Frage, wie Gesellschaften mit Technologie, mit dem demographischen und gesellschaftlichen Wandel umgehen.
Das Patchwork der Zukunft
Die Prognose der Zukunft beginnt damit, verschiedene Trends zu analysieren und zu beschreiben. Die leitende Metapher des Buches stammt aus dem Handwerk. Gratton vergleicht Zukunftsprognosen mit einem Patchwork. Die verschiedene Teile lassen sich zwar heute schon erkennen, aus diesen Elementen können aber ganz unterschiedliche Stücke genäht werden. Es gibt positive und negative Zukunftsszenarien, das hängt davon ab, wie heutige Trends zusammenwirken und beeinflusst werden.
Was sind also die Hauptfaktoren für die Arbeitswelt von morgen? Insgesamt sieht Gratton fünf zentrale Trends oder Faktoren:
- Technologie,
- Globalisierung,
- Demographie,
- Gesellschaft und
- Natürliche Ressourcen.
Technik und Digitalisierung sind also nur ein Faktor unter anderen. Die Globalisierung und die hohe Lebenserwartung spielen eine eben ebenso große Rolle. Auffällig war für mich, wie selbstverständlich sie die Globalisierung und globale Märkte mitdenkt. Globalisierung bedeutet bei ihr, dass immer mehr Menschen Zugang zu Technik haben und damit an Märkten teilnehmen.
Demographisch wird sich die Arbeitswelt insofern ändern, weil wir sehr viel länger leben und sich damit unsere Arbeitszeit und Erwerbstätigkeit verlängert. Das hat viele Implikationen für die Arbeitswelt, neue Formen der Selbständigkeit, neue Organisationsformen sind notwendig, es tauchen aber auch gesellschaftliche Fragen auf. Der Umgang mit Altersarmut oder mit Menschen, die vom wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen sind, wird ebenso zu zentralen Fragestellungen.
Gesellschaftlich ändert sich viel durch den Wertewandel, der laut Gratton in den letzten zehn Jahren in wirtschaftlich stark entwickelten Gesellschaften zu beobachten ist. In der jüngeren – gut ausgebildeten –Generation stehen in letzter Zeit stärker Aspekte der Selbstverwirklichung im Vordergrund. Das Verhältnis zur Arbeit, aber auch Rollenverständnisse und die Familienplanung ändern sich dadurch.
Natürliche Ressourcen sind für Gratton ein wichtiger Faktor der Arbeitswelt in der Zukunft. Durch den notwendige Wandel zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise werden viele neue Jobs im Bereich Energieeffizienz und Ressourcenschonung entstehen.
Auch wenn das Buch zunächst wissenschaftlich erscheint, hat es doch einen ganz praktischen Zweck. Die Trends der Zukunft geben Ihnen natürlich auch Aufschluss darüber, wie Sie sich besser auf die Arbeitswelt der Zukunft einstellen können. Das Buch bietet immer wieder Hinweise darauf, wie Sie mit den Wandlungsprozessen der Zukunft umgehen können.
My aim in this book is clear. It is written to support you as you develop your
own point of view about the future – and your own path to creating a
future-proofed working life. Gratton (2015, 19)
Der Arbeitsplatz 2025
Wie sieht die Arbeitswelt der Zukunft aus? Lynda Gratton zeigt Ihre Szenarien anhand der Arbeitswelt verschiedener Personen. Der zentraler Punkt ist Technologie und globale Zusammenarbeit. Sie geht davon aus, dass wir in Zukunft sehr stark virtuell zusammenarbeiten werden und digitale Assistenten unseren Arbeitsalltag koordinieren. Das wird ihrer Ansicht auch Berufe betreffen, die eher „handwerklich“ geprägt waren, wie beispielsweise die Chirurgie. Sie hält es für wahrscheinlich, dass Operationsteams global zusammenarbeiten, einen Eingriff besprechen, gemeinsam planen.
Globalisierung und demographische Trends führen dazu, dass China und Asien noch viel stärker in die globale Wertschöpfung einbezogen werden. Ein Team, das eine Stadtplanung, ein Design oder eine technische Lösung für energieeffizientes Bauen entwickelt, wird in Zukunft viel stärker international besetzt sein und virtuell zusammenarbeiten. Diese Möglichkeiten existieren heute schon. Und diese Entwicklung hat Folgen für die Verteilung von Wohlstand um den Globus.
Sie beschreibt, dass die globale Unterschicht im 20. Jahrhundert aus den Schwellen- und Entwicklungsländern kam. Das wird sich laut Gratton mit der Digitalisierung stark ändern. Persönliche Qualitäten, Bildungsfähigkeit, Willenskraft und persönliche Netzwerke werden in Zukunft stärker über den Wohlstand entscheiden. Der Ingenieur, Softwareentwickler oder Designer aus Indien oder China tritt in direkte Konkurrenz mit Arbeitnehmern im Westen.
Für den Arbeitsplatz der Zukunft hat Gratton dabei ein negatives Szenario und eine positive Vision. Das negative Szenario ist die fragmentierte, einsame Arbeit, die getrieben ist von den globalen Kommunikations- und Kapitalströmen. Das hält Sie für eine Möglichkeit, daneben gibt es aber auch eine positive Variante. Der Arbeitsplatz der Zukunft kann auch sehr kommunikativ sein, die Technik bietet die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und einer beruflichen Existenz, die sich über die Jahre weiterentwickelt. Gratton versteht Kommunikation und Lernen als zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Arbeitsbiographie in der Zukunft. Es wird stärker darum gehen, sich auszutauschen – online wie offline – und dabei von den Synergien zu profitieren. Hier stehen wir laut Gratton erst am Anfang, die technischen Möglichkeiten sind zwar da, das Potenzial von Kommunikation wird sich aber noch zeigen.
Die drei großen Wenden
Wie lässt sich die neue Arbeitswelt gestalten? Hier sieht Gratton drei große Wenden, die in Zukunft entscheidend werden.
Vom Generalisten zum Meister in Serie: Der Generalismus wird in Zukunft nicht mehr stark gefragt sein, sondern der Experte, die Expertin auf einem Gebiet. Diese Meisterschaft wird in Zukunft aber stärker seriell sein. Wir müssen davon ausgehen, dass Erwerbsbiographien in Zukunft vielfältiger werden. Das heißt, von einem Beruf geht es in einen anderen weiter. Der Punkt von Gratton ist, dass es in Zukunft wichtiger wird, sich Meisterschaft in einem neuen Berufsfeld zu erarbeiten. Das ist nur mit einem hohen Maß an Selbstführung und Selbstmanagement möglich.
Vom Einzelkämpfer zum innovativen Brückenbauer: Das Konkurrenzdenken der letzten Dekaden ist laut Gratton ein Auslaufmodell. Die digitale Vernetzung und der Wertewandel werden dazu führen, dass die Zusammenarbeit und die daraus resultierenden Synergieeffekte zum entscheidende Faktor für das Berufsleben werden. Neben der digitalen Vernetzung und Kommunikation hält Gratton auch nichtdigitale Gemeinschaften für sehr wichtig in der Zukunft.
Vom Konsumenten zum Produzenten: Auch diese Entwicklung zeigt sich schon heute, Gratton nennt es Micro-Entrepreneurship. In Zukunft wird selbständiges Arbeiten normaler werden. Möglich wird das vor allem durch große digitale Marktplätze, sie erwähnt hier Alibaba, den großen chinesischen Onlinehändler, der Kleinunternehmern einen Marktplatz für Produkte bietet.
Fazit
Das Buch ist sehr empfehlenswert, wenn Sie sich für die Zukunft der Arbeitswelt interessieren. Lynda Gratton bietet in ihrem Werk eine umfassende Perspektive, Sie verengt das Thema nicht auf Globalisierung oder Technologie. Das Buch ist sehr gut lesbar, hinter den Szenarien stecken handfeste Fakten und intensive Forschung. Das wird immer wieder deutlich, wenn Sie in die Details geht. Auch für eine persönliche Strategie ist das Buch empfehlenswert, Sie erfahren mehr über die Trends der Zukunft und darüber, wie die Arbeitswelt der Zukunft aussehen könnte und welche größeren Entwicklungen sich abzeichnen.