„Handbuch Training, Bildung und Beratung. Zehn Konzepte der professionellen Erwachsenenbildung “ – von Karl F. Meier-Gantenbein/Thomas Späth – Weinheim und Basel: Beltz Verlag, 2006 – 312 S. – ISBN: 978-3407364418 – 39,90 €
Im Zuge der digitalen Entwicklung macht es Sinn, die wichtigsten Konzepte der Erwachsenenbildung noch einmal vor dem inneren Auge Revue passieren zu lassen. Welche Lernkonzepte sind brauchbar, wenn es beispielsweise darum geht, an bereits vorhandenes Wissen und Erfahrungen anzuknüpfen? Inwieweit bilden diese Konzepte wichtige Grundlagen für lebenslanges Lernen, Veränderung und digitale Kommunikation?
Schon zu Beginn des Buches von Karl F. Meier-Gantenbein und Thomas Späth wird der Begriff des lebenslangen Lernens verwendet, und zwar im Bereich der „Erwachsenenbildung aus lernpsychologischer Sicht“. Lernen ist bei Erwachsenen zu einer lebenslangen Aufgabe geworden, weil die Anpassung an sich ständig und immer schneller wandelnde Anforderungen der Arbeitswelt dies zunehmend erforderlich macht. Davon betroffen sind bei weitem nicht nur Berufsfelder, die eng an Informatik, EDV und Programmierung gekoppelt sind. Die Rasanz der technologischen Entwicklung ist längst in nahezu alle Lebensbereiche vorgedrungen.
Immer mehr Menschen spielen vor diesem Hintergrund mit dem Gedanken, ein weiteres Studium oder berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahmen auf sich zu nehmen, um sich neue Berufsfelder, Chancen und Möglichkeiten zu erschließen, die eine Erweiterung ihrer bisherigen Lernbiografie darstellen.
Was dabei häufig ein wenig vernachlässigt wird, sind Eigeninitiative, Disziplin, Motivation und Organisationsfähigkeit, die benötigt werden, um neben dem eigenen Job und anderen zeitaufwendigen Verpflichtungen tatsächlich zum selbstgesteckten Ziel zu gelangen und damit erfolgreich zu sein.
Das gilt im Übrigen nicht nur für einzelne Personen, sondern gleichfalls auch für lernende Organisationen. Culture-Change-Prozesse verweisen in diesem Zusammenhang auf Veränderungs- und Lernprozesse von größeren Abteilungen in Unternehmen oder Gruppen. Derartige Prozesse können beispielsweise mit einer Kulturanalyse verbunden sein, in der ein Unternehmen zu einer selbst gewonnen Erkenntnis über sich selbst gelangt. Bestehende Werte wie „Das Unternehmen steht für Qualität“ oder „Wir nehmen soziale Verantwortung wahr“ werden auf der Basis einer solchen Kulturanalyse auf den Prüfstein gestellt und im Hinblick auf anstehende Veränderungsprozesse kritisch hinterfragt.
Die in diesem Buch vorgestellten Konzepte der professionellen Erwachsenenbildung sind nicht ausschließlich nur für Trainer, Dozenten, Lehrer und Coaches relevant. Im Gegenteil: Die Kenntnisse dieser Konzepte sind gerade auch für Lernende bedeutsam. Wenn Sie sich beispielsweise fragen, worin Ihre Zielvorstellungen beim Lernen bestehen und welche inneren Glaubenssätze und Überzeugungen mit diesen Vorstellungen verbunden sind, kann es etwa hilfreich sein, die Methode des neurolinguistischen Programmierens besser kennenzulernen. Denn gerade bei dieser Methode geht es u. a. um die Frage, welche persönlichen Ressourcen aktiviert werden können, um Ihre Zielvorstellungen auch tatsächlich – Schritt für Schritt – zu erreichen.
Insgesamt werden in diesem Handbuch zehn Konzepte der Erwachsenenbildung vorgestellt:
- Konzept 1: Hirnforschung: Gebrauchsanleitung für das menschliche Gehirn
- Konzept 2: Kommunikation: Wie bringe ich es rüber
- Konzept 3: Transaktionsanalyse: Gelungene Kommunikation ist kein Zufall
- Konzept 3: Themenzentrierte Interaktion: Alles im Blick!
- Konzept 5: Neurolinguistisches Programmieren: Abenteuerland NLP
- Konzept 6: Gestaltansatz: Vordergründig Hintergründiges
- Konzept 7: Psychodrama: Vorhang auf und Bühne frei!
- Konzept 8: Handlungslernen: Training by Doing
- Konzept 9: Konstruktivismus: Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
- Konzept 10: Systemtheorie: Was brauchbar ist, entscheide ich!
Ich spare es mir an dieser Stelle, auf all diese Konzepte ausführlicher einzugehen, weil das den Rahmen dieser Rezension definitiv sprengen würde. Anstelle davon beziehe ich mich ganz subjektiv auf einzelne Ideen und Gedanken, die von einigen dieser Konzepte ausgehen. Dabei möchte ich den Fokus auf das Thema des Lernens unter digitalen Bedingungen setzen.
Insbesondere die Hirnforschung zeigt, dass viele Aussagen und Methoden aus den Bereichen von NLP, Konstruktivismus und Systemtheorie auch naturwissenschaftlich begründbar sind. Erkenntnisse wie „Wissen ist kein objektiver Tatbestand, sondern eine aktive und zunächst auch sehr individuelle Konstruktion“ sind also nicht originär durch die Hirnforschung hervorgebracht worden. Die Hirnforschung hat sie nur empirisch bestätigt, bis hin zu der Tatsache, dass der Mensch bis ins hohe Alter lernfähig ist.
Das Konzept des neurolinguistischen Programmierens
Was mich an der Lektüre dieses Buches besonders fasziniert hat, ist u. a. das Kapitel zum Konzept des neurolinguistischen Programmierens. Ich halte den Begriff zwar für etwas antiquiert und angestaubt, jedoch gehen gerade von diesem Konzept wertvolle Einsichten aus, die für die eigene Motivation und den Lernprozess an sich sehr relevant sind.
Zunächst ist der Zeitkontext bei diesem Konzept bemerkenswert. Das neurolinguistische Programmieren, kurz NLP, wurde in den 1970er Jahren von Richard Bandler (Mathematiker und Psychologe) und John Grinder (Linguist) entwickelt.
Neuro steht für die Tatsache, dass die Gesamtheit aller Wahrnehmungsprozesse auf der Basis unseres Nervensystems ablaufen.
Linguistisch weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass unser Weltbild sehr stark mit unserem Sprachgebrauch zusammenhängt. Sprache übt also einen sehr starken Einfluss auf unsere Gedanken, aber auch auf unsere Handlungen im Alltag aus.
Programmieren steht wiederum für die Erkenntnis, dass viele unserer Verhaltensmuster und Glaubenssätze auch verändert werden können, gerade wenn sie uns eher belasten und mittel- bis langfristig einen negativen Einfluss auf unsere Gedanken und Psyche ausüben.
Heute würde man diese Begriffe wahrscheinlich anders wählen bzw. durch andere Begriffe austauschen. In den 1970er Jahren jedoch – zur Entstehungszeit dieses Konzepts – waren die mit diesem Konzept verbundenen Begriffe sehr stark von der Vorstellung geprägt, dass das menschliche Gehirn mit einem Computer vergleichbar sei. Diese Vorstellung finden Sie beispielsweise in der Kybernetik, die einen gewissen Einfluss auf das NLP Konzept ausgeübt hat. Wie wir dagegen heute wissen, ist dieser Vergleich eigentlich nicht haltbar. Das hängt damit zusammen, dass das menschliche Gehirn in seiner Komplexität nur sehr unzureichend mit einem Computer vergleichbar ist.
Offline-Dasein als nötiger Ausgleich
Angenommen Sie haben sich vorgenommen, mit einem Fernstudium zu beginnen. Ferner sind Sie davon überzeugt, dass permanente Erreichbarkeit in der heutigen Zeit unabdingbar ist. Die Werkzeuge des NLP können Ihnen nun dabei behilflich sein, diesen Glaubenssatz kritisch zu hinterfragen. Warum sind Sie davon überzeugt, dass permanente Erreichbarkeit so wichtig ist?
Sie haben sich umfangreich über Ihr Fernstudium informiert, damit bereits begonnen und sind sich außerdem darüber im Klaren, dass diese Art von Weiterbildung neben einer gehörigen Portion Eigeninitiative, Disziplin und Motivation, gerade auch die Bereitschaft dazu beinhaltet, verstärkt auf elektronisches Lernen und digitale Kommunikation zu setzen.
Mit den Werkzeugen des NLP können Sie nun genauer herausfinden, was für ein Lerntyp Sie sind, welche Wahrnehmungskanäle Sie beim Lernen bevorzugen, ob Sie eher visuell, auditiv oder kinästhetisch (bezieht sich auf Körpereindrücke) orientiert sind.
Elektronisches Lernen und digitale Kommunikation stellen eine Erweiterung dazu dar. Wenn Sie beispielsweise mehr auditiv orientiert sind, macht es vielleicht Sinn, sich mit anderen Lernenden und einzelnen Gruppen über Skype auszutauschen (per Internet telefonieren) oder sich verstärkt Vorlesungen in der Form von Audio Files anzuhören. Auf dieser Basis gelangen Sie auch zu klareren Zielvorstellungen. Und Sie werden sich bewusster über die Selektion und die Organisation jener Lernihalte, die Ihrem Studium zugrunde liegen, weil sie bereits Quellen und Kanäle ausschließen können, die nicht zu Ihrer bevorzugten Wahrnehmungsart passen. Neben den bevorzugten Wahrnehmungs- und Verständigungsformen können Sie nun damit beginnen, Ihren Glaubenssatz der permanenten Erreichbarkeit „umzuprogrammieren“.
Statt sich beispielsweise zu sagen: „Ich muss einfach ständig erreichbar sein“, formulieren Sie für sich einen anderen Glaubenssatz und versuchen diesen in der Folgezeit so weit wie möglich zu verinnerlichen.
„Um mein Ziele zu erreichen, sollte ich die hohe Konzentration beim Arbeiten und beim Lernen nicht noch durch permanente Erreichbarkeit übermäßig strapazieren. Dazu gehört auch, dass ich einfach mal nicht erreichbar und offline bin.“
Text: Marcus Klug