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Warum Google-Manager meditieren

Als Chade-Meng Tan eine Laufbahn als Software-Ingenieur bei Google begann, ahnte niemand, dass er einmal Chief Happiness Officer werden würde. Inzwischen leitet er Achtsamkeitskurse für Google. Welches Potential hat Meditation und warum meditieren Manager?

Meditation und fernöstliche Spiritualität liegen der amerikanischen Computerbranche nicht so fern. Zur DNA des Silicon Valley gehören auch gegenkulturelle Elemente der 60-er und 70-er Jahre, etwa ein unkonventioneller Stil und Begeisterung für libertäre Ideen. Ein Interesse für Meditation und Buddhismus stammt aus diesem Erbe.

Steve Jobs war bekanntermaßen begeistert von Zen und ein minimalistischer, japanischer Stil beeinflusste wahrscheinlich auch das Design der Apple-Produkte. Einige neueren Bücher sehen sogar eine enge Verbindung zwischen dem Silicon Valley und Zen, tatsächlich gibt es einige erstaunliche Parallelen. Beide eint die radikale Infragestellung vermeintlicher Gewissheiten, eine positive Einstellung gegenüber dem Neuanfang und dem “Anfänger-Geist” des Nicht-Experten (”Zen Mind — Beginners Mind”).

Eine gewisse Nähe zwischen Buddhismus und der kalifornischen Tech-Branche hat sich bis heute erhalten. Es gibt buddhistische Konferenzen für Menschen aus dem Technik- und IT-Sektor im Silicon Valley, wie die Buddhist-Geeks und die Wisdom 2.0. Die Faszination für fernöstliche Lehren hat heute aber meistens einen pragmatischen Hintergrund, viele Menschen interessieren sich für Meditation als geistige Schulung.

Meistens geht es dabei um persönliche Sinnsuche oder einen besserer Umgang mit Stress. Chade-Meng Tan fühlte sich nach einigen Jahren als Softwareentwickler nicht richtig ausgefüllt und kam auf diesem Weg zur Meditation. Von dieser persönlichen Sinnsuche profitiert heute Google; die stressmindernde Wirkung von Meditation wird inzwischen anerkannt und die Angestellten des Konzerns können bei Chade-Meng Tan Achtsamkeitskurse absolvieren.

Achtsamkeit als Training für den Geist

Meditation ist genau besehen ein Schulungsprogramm für den Geist, das einen spirituellen Zweck hat, genauso aber säkularen Zielen dienen kann. Bei der klassischen Achtsamkeitsmeditation richten Sie Ihre Aufmerksamkeit gezielt auf Körperempfindungen oder Atemempfindungen aus und bleiben bei diesen Wahrnehmungen. Diese gezielte Ausrichtung der Aufmerksamkeit wirkt wie ein Schulungsprogramm für den Geist und führt zu mehr Gelassenheit und einer besseren Konzentration. Diese Übung ist zu Beginn relativ ungewohnt und sperrig. Unsere Aufmerksamkeit ist häufig zerstreut, wir springen unbewusst zwischen verschiedenen Gedanken oder Empfindungen hin und her. Meditation setzt diesem Verhalten eine bewusste Wahl der Aufmerksamkeit entgegen.

Anstatt sich in Gedankenwelten aufzuhalten, unbewusst zu planen, sich in Vorstellungen über die Zukunft und die Vergangenheit zu verlieren, besteht die Übung darin, ganz gezielt die Aufmerksamkeit auf körperlichen Empfindungen zu lenken. Gedanken und Gefühle sollen dabei in den Hintergrund treten, immer wenn Sie von Gedanken abgelenkt werden, führen Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder auf Atem- und Körperempfindungen zurück.

Mit etwas Übung ändert sich auch die Qualität der Aufmerksamkeit, die Aufmerksamkeit wird weniger sprunghaft und der Geist beruhigt sich. Diese positiven Effekte der Meditation lassen sich nachweisen, nach vielen Studien verbessert regelmäßige Meditation nachweislich das Wohlbefinden. So sind Meditierende weniger gestresst, haben bessere Blutdruck- und Cortisolwerte und sind stärker in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auszurichten.

Auch die Konzentrationsfähigkeit verbessert sich mit regelmäßiger Praxis, Meditation funktioniert wie ein Training für das Gehirn. Genauso, wie Sie Kopfrechnen oder Ihr Textverständnis durch regelmäßige Übung verbessern, trainiert Meditation Ihre Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, Distanz zu Ihrem inneren Erleben zu erlangen. Diese Effekte lassen sich wissenschaftlich erhärten.

In einer Studie aus dem Jahr 2007 konnte die Neurowissenschaftlerin Sara Lazar nachweisen, dass regelmäßiges Meditieren Strukturen im Gehirn verändert, die für die Lenkung der Aufmerksamkeit zuständig sind. Diese Ergebnisse stellt Sara Lazar in einer Präsentation auf einer TED-Konferenz vor.

Dazu untersuchte Sie Menschen in einem Gehirnscanner. Die Probanden absolvierten im Anschluss ein 8-wöchiges, standardisiertes Meditationsprogramm. Die Aktivitätsmuster vor und nach dem Meditationsprogramm zeigten ein erstaunliches Ergebnis. Die Verbindungen im sogenannten Präfrontalen Kortex, einem Gehirnbereich, der für die Regulierung von Aufmerksamkeit und Emotionen verantwortlich ist, waren bei neu Meditierenden stärker ausgeprägt als vor dem Meditationsprogramm. Genauso konnte Sara Lazar eine Erklärung für die stressmindernde Wirkung von Meditation finden. Der Mandelkern, ein Bereich im Gehirn, der für Angstreaktionen zuständig ist, reagiert sehr stark auf Stress. Bei gestressten Menschen ist dieser Bereich vergrößert, durch die Meditation trat der gegenteilige Effekt ein und der Mandelkern verkleinerte sich.

Interesse an Meditation?
Mit diesen drei Apps können Sie einfach loslegen. Die geführten Meditationen erleichtern den Einstieg:

 

  • 7Mind: Deutschsprachige Meditationsapp mit siebenminütigen, geführten Meditationen.
  • Headspace: Auch Headspace bietet geführte Meditationen. Es gibt von der App
    Meditationen zu bestimmten Themen wie Entspannung oder Stressabbau.
  • One-Moment-Meditation: Eine minimalistische Meditationsapp. Sie
    werden von dem Programm durch kurze dreiminütige Meditationen geführt.

Meditation trainiert die Lenkung der Aufmerksamkeit, wirkt gegen Stress und verbessert die Impulskontrolle. Der Geist wird gezielt auf bestimmte Objekte gelenkt, auf den Atem, den Körper, ein Mantra oder die Gefühle. Anstatt den Impulsen, Ideen oder Gefühlen nachzugehen, führe ich in der Meditation die Aufmerksamkeit einfach wieder auf die gewählte Körperempfindung zurück. Diese Lenkung geschieht mit einer bestimmten Haltung. Gefühle und Gedanken werden nicht beurteilt, man lässt sie entstehen und vergehen, steigt nicht auf gedankliche Fluchten oder Tagträume ein. Damit trainieren Sie sowohl Ihre Aufmerksamkeit, Ihre Konzentration und die Fähigkeit, gelassen zu reagieren.

McMindfulness oder der Beginn eines Kulturwandels?

Mit dem Boom von Meditation sieht es aus, als werde wieder eine Kulturtechnik der kapitalistischen Verwertungslogik unterworfen. Wie schon vorher Popmusik, Yoga, oder nachhaltige Lebensformen inzwischen zu gut vermarkten Produkten geworden sind, droht dasselbe Schicksal auch der Meditation. Mehr Konzentration und Gelassenheit, das klingt nach einem perfekten Programm für Hochleistungsangestellte. Sie können mit einem recht simplen Training noch mehr aus ihren Mitarbeitern herausholen — und die werden dabei noch glücklicher! Tatsächlich gibt es Kritik an den Achtsamkeitsprogrammen großer Firmen aus der Meditations-Community. Manche sehen den Ausverkauf einer spirituellen Technik, andere Stimmen halten die Achtsamkeitsprogramme großer Firmen dagegen für den Anfang eines Kulturwandels.

In der deutschen Öffentlichkeit schwankt die Einschätzung zu Meditation zwischen einem Leistungsprogramm für Angestellte und Weltflucht. Meditation wird als neues mentales Training für die Arbeitswelt wahrgenommen, als Mittel zum Stressabbau oder sogar als Karriere-Beschleuniger. Kritische Stimmen sehen die Achtsamkeitsbewegung stärker als Weltflucht oder Neo-Biedermeier, als Wellness-Programm für Menschen, denen die heutige Welt einfach zu schnell geworden ist.

Viele Gedanken und Reaktionen laufen automatisiert ab. Meditation hilft dabei, diese Mechanismen zu verstehen und zu verändern.

Meditation ist aber mehr als nur eine Technik zur Beruhigung und Lenkung der Aufmerksamkeit und deshalb ist sie meiner Ansicht nach heute interessant. Meditation verbessert die eigene Wahrnehmung und ist aus diesem Grund geeignet, Gedanken- und Verhaltensmuster zu verändern. Damit kann Meditation individuelle und gesellschaftliche Wandlungsprozesse unterstützen.

Mir ist dieser Punkt im Laufe meiner Meditationspraxis immer stärker aufgegangen. Ich begann Meditation mit den üblichen Wünschen: Ich wollte entspannter werden, gelassener und mich besser konzentrieren können. Das bekam ich auch. Ich wurde tatsächlich ruhiger und fokussierter, es passierte aber noch mehr. Meditation machte mir meine psychischen Muster deutlicher. Es gibt in der Praxis immer wieder Aha-Effekte, bestimmte Phasen, in denen mir ein Denkmuster oder ein Verhalten viel klarer werden.

Bei einem meiner ersten Retreats wurde mir ein solches Muster bewusst. Anstatt mich zu entspannen, war ich in der Meditation damit beschäftigt, darüber nachzudenken, was ich denn für eine richtige Entspannung brauche. Wenn ich das richtige Essen habe, das Wetter mitspielt, der Lehrer und die Umgebung perfekt ist, dann und nur dann kann es funktionieren mit dem Loslassen.

Dieses Gedankenmuster tauchte immer wieder in den ersten Tagen auf, ich suchte also ständig nach Bedingungen für Entspannung und das Loslassen. Mir wurde dabei bewusst, wie ein solches Denkmuster mich hemmt, nicht nur in der Meditation. Ich suchte auch im Alltag oder im Beruf nach den perfekten Bedingungen — die es nie geben wird.

Solche Erkenntnisse treten häufig bei Meditation auf. Das ist eine Form der kognitiven Umstrukturierungen; durch Achtsamkeit werden Glaubenssätze bewusst und in Frage gestellt, im besten Fall ändert man sogar sein Verhalten.

Hier liegt meiner Ansicht nach ein großes Potential von Meditation, das sie zu mehr macht als zum Wellnessprogramm für die Weltflucht oder zum Training für die Konzernkarriere. Wir stecken mit der Digitalisierung mitten in einem großen Wandlungsprozess. Vor allem die Arbeitswelt ändert sich rapide.

Meditation kann eine Unterstützung in diesem Wandel sein, individuell und gesellschaftlich. Wenn wir anders arbeiten oder Lebenswege anders aussehen, als die unserer Eltern, dann hilft es, eine Perspektive zu bekommen und die eigenen Gedanken und Gefühle besser zu verstehen. Meditation kann dabei helfen, den Wandel zu gestalten, indem die eigenen Überzeugungen und Verhaltensweisen bewusster werden.

Vielleicht wird durch Pioniere wie Chade-Meng Tan mehr aus dem leeren Mantra “To make the world a better place” und wir erleben einen Wandel, der auch die Unternehmenskultur tatsächlich verändert.

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