New Work ‒ Selbstmanagement ‒ Digital Workflow : Beiträge von 2012 bis 2015
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re:publica 2013: IN/SIDE/OUT

Nächstes Jahr muss ich unbedingt nach Berlin! Die re:publica ist seit 2007 die Konferenz in Berlin zu Blogs, Web 2.0 und soziale Medien. Die diesjährige Veranstaltung ist eine der größten Konferenzen zum Thema Social Media, Web 2.0 und Gesellschaft in Europa. Ich habe die letzten Tage die re:publica aus Köln verfolgt, was durch den Life-Stream und die schnellen Uploads auf dem Youtube-Kanal ganz gut möglich ist.

Dieses Jahr trug die re:publica den Titel IN/SIDE/OUT. Thematisch ging es um das Thema Wandel durch Digitaltechnik, Inklusion und Exklusion. Stark vertreten waren die Digitalthemen des letzten Jahres, Moocs, Urheberrecht, gesellschaftlicher Wandel und Wandel der Arbeitswelt.

Auch die Themen Einschluss und Ausschluss fanden sich in mehreren Beiträgen, ein Beitrag beschäftigte sich etwa damit, welche Rolle muslimische BloggerInnen in der deutschen Öffentlichkeit haben. Gibt es eine Gegenöffentlichkeit und schaffen muslimische Blogger es auch, hartnäckige Klischees zu korrigieren? Auch die Aufschreidebatte war vertreten: Anne Wizorek fragte, was die Diskussion gebracht hat und Kirsten Gross, warum gerade in der Gamerwelt (die inzwischen einen hohen Frauenanteil aufweist), extrem antiquierte Frauenbilder verbreitet sind. Was die re:publica von anderen Tagungen zum Web 2.0 unterscheidet, ist die Öffenung für kulturelle und gesellschaftliche Fragen, zu Fragen nach den gesellschaftlichen Auswirkungen von sozialen Medien. Ein Höhepunkt dieser Diskussion war der Vortrag von Günther Dueck am 06.05.

Die großen Fragen

Gunter Dueck wagte sich an das ganz große Thema: Wozu eigentlich das Ganze? Was verändert sich gerade und wie können wir diesen Wandel gestalten. Dueck hat es tatsächlich geschafft, das Stammeln zur Kunstform zu erheben und doch kann er ein Publikum fesseln.

@ulrikelanger
„Der Mann hat Stammeln zur Kunstform erhoben. RT @tmsklein: Ich finde @wildduck noch großartiger. Macht nachdenklich mit Humor. #rp13 #dueck“

Er ging in seinem Vortrag von den Spaltungen in unserer Gesellschaft aus, wir trennen uns mehr und mehr in „High-End-Professionals“ mit 60-80 Stunden Wochen und einen abgehängten Rest. Und diese Folgen der Digitalisierung lassen sich heute nur sehr schwierig diskursiv gestalten, weil wir in Sprach- und Denkmustern handeln, die nur unsere Peer-Group ansprechen und eben andere nicht. Diese Form von „ethnozentristischer“ Kommunikation gilt es nach Dueck aufzubrechen, wir brauchen mehr Meta-Kommunikation, um uns über die gesellschaftlichen Gräben hinweg zu verständigen, mehr Empathie und Einfühlung, um auch gemeinsam den digitalen Wandel gestalten zu können.

Ein solcher Vortrag ist natürlich unterhaltsam. Dueck versteht es auch, sich frei in verschiedenen Theorien zu bewegen, sehr konkret kann ein solcher Vortrag natürlich nicht werden. Seine Beobachtung scheint aber sehr zutreffend zu sein. Häufig heißt Diskussion in Deutschland einfach nur, Meinungen auszutauschen, ohne dass Personen aufeinander zugehen oder man Kompromisse in Positionen sucht. Der Grund dafür ist, dass es in unserer Gesellschaft einfach sehr unterschiedliche Menschenbilder und Wertvorstellungen gibt. Wir haben häufig Schwierigkeiten damit, unterschiedliche Meinungen und Auffassungen anzugleichen oder zu einen Kompromiss zu finden – das zeigen vor allem die Diskussionen um das Urheberrecht und Leistungsschutzrecht.

Mit Wut und Pathos für das freie Internet

Wie geht es aber weiter mit dem freien Internet, mit Internetpolitik oder der „Netzgemeinde“? Sascha Lobo hielt einen seiner Überraschungsvorträge zum „freien, offenen und sicheren Internet (in den Grenzen von 1999)“. Und irgendwie wirkte sein Vortrag wie eine Illustration der Themen Duecks. Man merkt, wie schwer es ist, Internetthemen wie Leistungsschutzrecht und Netzneutralität zu politisieren. Und das liegt anscheinend daran, dass es der Internetavangarde schlicht an einer Portion Pathos und Wut fehlt und am Anschluss an die „normale“ Politik. Und genauso hangelte sich Sascha Lobo von Scherz zu Scherz durch eine launige Präsentation, die kalkulierte Verplantheit gehört dabei zur Figur. Die wichtige Erkenntnis des Vortrags ist, dass Netzpolitik in erster Linie Politik ist. Und das heißt lange Diskussionen, die sprichwörtlichen „dicken Bretter“, strategische Bündnisse und natürlich Kompromisse – auch mit unliebsamen Partnern.

Und Wut und Pathos? Wo ist der heute hin, bei aller Ironie und Gefälligkeit? Wie wird es weitergehen mit Netzpolitik? Nicholas Carr zeigte in seinem Artikel Fold, spindle, mutilate wie sich das Pathos der Studentengeneration, gegen „die Maschine“, gegen die Kontrolle und Verdinglichung durch Informationstechnik gewandelt hat. Heute ist es viel schwieriger Informationstechnik zu politisieren, weil es die harte Frontstellung der 60er und 70er Jahre nicht mehr gibt. Vielleicht braucht aber Netzpolitik einen Schuss von der Wut und dem Pathos eines Mario Savio.

Text: Michael Lindner

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