New Work ‒ Selbstmanagement ‒ Digital Workflow : Beiträge von 2012 bis 2015
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Digitaler Minimalismus: Ein neuer Lebensstil?

Das Potential von Informationstechnik wird meistens dann wahrgenommen, wenn Lebensformen oder Wirtschaftszweige grundlegend umgestaltet werden. Diese Veränderungen werden häufig als Krisen erlebt. Seit den 1990er Jahren wird Digitalisierung für den Musikmarkt als Bedrohung wahrgenommen, ähnliches gilt heute für den Printbereich, für Zeitungen und den Büchermarkt. Die revolutionären Auswirkungen digitaler Technik bieten aber auch eine große Chance zu einer nachhaltigen Umgestaltung eines konsumorientierten Lebensstils.

Mit Informationstechnik lässt sich heute vor allem eines erreichen: Man kann das eigene Leben ziemlich gründlich entrümpeln und aufräumen und muss dabei nicht einmal größeren Verzicht leisten. Materielle Güter lassen sich heute bis zu einem gewissen Grad digitalisieren oder durch Dienstleistungen ersetzen. Mit Informationstechnik lassen sich materielle Güter mehr und mehr „entdinglichen“ oder digital organisieren. Genauso, wie diese Blog eine Art offen geführtes Notizbuch ist, und damit ein physisches Notizbuch einspart, lassen sich auch andere Gegenstände digitalisieren.

Ein paar Beispiele? Wie viele Bücher liest man denn zweimal, wie viele möchte man tatsächlich als gedruckte Bücher im Regal stehen haben? Inzwischen sind E-Reader so gut geworden und es gibt auch ernstzunehmende Konkurrenz zum Kindle-Amazon-Imperium, so dass man E-Books von verschiedenen Verlagen und Buchhandlungen beziehen kann. Was spricht also dagegen, die physische Bibliothek abzuschaffen und durch E-Books zu ersetzen? Wozu also noch ein Regal oder zumindest wozu noch ein derart großes Regal? Auch für die physisch vorhandenen Bücher gibt es inzwischen Möglichkeiten der Digitalisierung, verschiedene Dienstleister wie Eridian scannen vorhandene Bücher und wandeln sie in PDFs um. Man stelle sich mal den nächsten Umzug vor, wenn anstatt der üblichen 30 bis 50 Bücherkisten einfach ein E-Bookreader umzieht!

Ähnlich kann man auch mit der Musiksammlung umgehen, wozu braucht man eine umfangreiche CD-Sammlung, wenn inzwischen Streamingdienste existieren, mit denen man ohne Probleme eine eigene Musiksammlung aufbauen kann? Über einen Stramingdienst kann man Musik über das Internet beziehen, ohne eine CD-Sammlung pflegen zu müssen. Anstelle der physisch vorhandenen CDs kauft man das Recht, bestimmte Musik nutzen, also abspielen zu können. Neben dem Marktführer Spotify haben sich inzwischen verschiedene alternative Anbieter etablieren können (s. Alternativen zu Spotify). Auch in diesem Bereich macht es Informationstechnik möglich, den eigenen Lebensstil zu entrümpeln.

Die Sharing-Ökonomie

Ähnliches gilt auch für materielle Güter, gut, die lassen sich natürlich nicht wie Informationen einfach digitalisieren und ins Internet verlagern. Aber auch hier gibt es einen Trend, physischen Besitz durch Dienstleistungen zu ersetzen und auch diese Entwicklung wird durch digitale Technik beschleunigt. Am bekanntesten ist dabei das Carsharing, das von einem ökologisch inspirierten Nischenangebot heute, zumindest in größeren Städten, bereits eine gängige Art der Mobilität geworden ist.

Anstelle ein eigenes Auto zu besitzen (was bei dem Preisverfall für Neuwagen schon allein wirtschaftlich keinen Sinn macht), kann man sich bei einem Carsharinganbieter anmelden. Für eine recht geringe Monatsgebühr erwirbt man das Recht, Autos kurzzeitig zu mieten, über eine Internetplattform kann man dann die Wagen ausleihen. In letzter Zeit drängen auch die großen Automobilkonzerne BMW und Daimler auf diesen Markt mit den Angebot Car2go und DriveNow.

Bei dieser neuen Generation von Carsharinganbietern sind die Wagen nicht mehr an feste Stationen gebunden, sondern können in der Stadt abgestellt werden, dieser mobile Service wird über eine App organisiert. Gerade bei Jüngeren scheint diese Dienstleistung sehr gut anzukommen, die Neuwagenkäufer werden zumindest in den letzten Jahren immer älter (Junge Menschen kaufen keine Neuwagen mehr).

Solche Sharingangebote gibt es für verschiedene Bereiche und alle bauen stark auf Informationstechnik auf. Teilen lässt sich heute Essen (Foodsharing), Wohnungen (9Flats, Couchsurfing, AirBnB) und über andere Tauschbörsen lassen sich verschiedenste Güter austauschen (netcycler, swapy oder Tauschticket). All diesen Entwicklungen ist gemeinsam, dass der physische Besitz durch einen Dienst abgelöst wird. Ich besitze nicht mehr konkret ein Auto, oder einen anderen Gegenstand, sondern erwerbe das Recht darauf, eine Ressource wie Mobilität nutzen zu können. Durch diese Art der Nutzung anstelle von eigenen Besitz lässt sich der eigene Lebensstil wesentlich verschlanken.

Digitaler Minimalismus: ein neuer Lebensstil?

Zur Reduktion von materiellen Gütern als richtiggehenden Lebensstil haben sich sogenannte Minimalisten verschrieben. Alex Rubenbauer, einer der bekanntesten deutschen Minimalisten, besitzt ungefähr 300 Gegenstände. Alte Unterlagen werden konsequent weggeworfen und für jeden neue Gegenstand muss einer aus dem Haus verschwinden. Ein regelrechter Ehrgeiz hat manche Minimalisten gepackt, mit immer weniger Gegenständen auszukommen, so dass ein minimalistischer Lebenstil zu einer eigenen Art von Status werden kann (s. Spiegel: Haste nix, biste was). Und wieviel ist minimal? Der durchschnittliche Deutsche besitzt ungefähr 10.000 Gegenstände, der Minimalist Sebastian Küpers kommt dagegen sogar mit weniger als 100 Gegenständen aus (I own less than 100 things now).

Diese Reduktion wird vor allem durch den Computer möglich, Bücher und Musik lassen sich digitalisieren, genauso können Bilder in digitaler Form abgespeichert werden. Und dann ersetzen Internetdienste einen Großteil der Gegenstände, die angeblich so wichtig für den eigenen Lebensstil sind. Aus diesem Grund wird manchmal auch von digitalem Minimalismus gesprochen und gerade internetaffine, junge Menschen sind von einem solchen Lebensstil angezogen (Digitaler Minimalismus). Und was bringt das Ganze?

Neben der sportlichen Herausforderung, die bei vielen Minimalisten mitschwingt, bringt ein solcher Lebensstil einiges an Zufriedenheit. Jeder zusätzliche Gegenstand erzeugt dagegen auch mehr Abhängigkeiten. Reduktion der Überflüsse kann dementsprechend in unserer Konsumwelt zu mehr Zufriedenheit führen. Auch ökonomisch ist dieser Trend interessant, denn Minimalismus könnte, wenn mehr Menschen einen solchen Lebensstil verfolgen, zukünftig ein wirksamer Weg in eine nachhaltigere Wirtschaftsform bedeuten (Digitaler Minimalismus verändert die Gesellschaft).

Text: Michael Lindner

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