New Work ‒ Selbstmanagement ‒ Digital Workflow : Beiträge von 2012 bis 2015
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Status: Abwaschbar

Porridge / Foto: Antti T. Nissinen / Quelle: Flickr.comDie Mahlzeiten mit meinem Sohn erinnert mich immer etwas an die Szene aus „Moderne Zeiten“, in der Charly Chaplin, in der Rolle eines Fabrikarbeiters, zum Versuchskaninchen für eine „Fütterungsmaschine“ auserkoren wird. Er wird auf einen Stuhl geschnallt und von der Seite schiebt ihm ein Roboterarm nacheinander Suppe, ein Hauptgericht und Törtchen zum Nachtisch in den Mund. Die Maschine ist dabei noch nicht ganz ausgereift und die ganze Szene endet schließlich in einer Tortenschlacht, Chaplin wird mit Suppe durchtränkt, die Sahnetörtchen landen im Gesicht, bis er endlich aus seinem Stuhl gerettet werden kann.

Bei den Mahlzeiten mit meinem Sohn bin ich mir nicht ganz sicher, wer genau Opfer und Täter ist, jedenfalls sieht Paul am Ende häufig aus wie Charlie Chaplin nach der Fütterungsszene. Der Hauptunterschied besteht im Machtverhältnis, das ist bei uns vollständig umgedreht. Wenn sich der Hunger anschleicht, macht mich mein Sohn mit unmissverständlichen Lauten darauf aufmerksam, dass ich jetzt sofort etwa dagegen machen muss und ich springe natürlich. Während ich mit der Vorbereitung beginne, thront Paul in seinem Hochstuhl und gewährt mir gnädig seine Aufmerksamkeit bei der Essenszubereitung. Ich werde genau beobachtet und zunächst fällt mir die edle Aufgabe zu, für den kleinen König auch die richtigen Snacks zur Überbrückung der Wartezeit anzubieten. Meistens genügen ein Stück Brot und etwas Gurke, damit die Laune etwas steigt und ich genügend Zeit habe, den Brei warm zu machen.

Nach diesem Vorgeplänkel geht der Kampf aber erst richtig los. Ladies and Gentlemen, sehen Sie nun in der einen Ecke: Paul, genannt „Left-Hook Mayhem“ und in der anderen Ecke, Michael, „The Grim-Faced Spoon“. Pling – erste Runde. Zu Beginn funktioniert das Essen meistens noch ganz gut, Paul nimmt einen oder zwei Löffel, dann beginnt er renitenter zu werden und in seinem Alter kann man schon erstaunlich renitent sein. Ich versuche es mit meinem typischen Ablenkungsmanöver. Zunächst ein Löffel Wasser, wenn das klappt, täusche ich mit einem Löffel Wasser an und gebe stattdessen einen Löffel Brei. Das hat einige Zeit gut funktioniert, inzwischen hat Paul einen ziemlich schnellen linken Haken drauf und patscht mir den Löffel im großen Bogen aus der Hand. Während ich noch perplex schaue, beginnt er den Brei noch etwas mit der Hand zu verteilen, er grabscht sich den Löffel und schlägt ihn ein paar Mal auf den Tisch. Als Ergebnis der Aktion ist der Brei gut auf uns beiden verteilt und eine beträchtliche Menge hat noch Platz auf dem Tisch gefunden.

Aber das ist noch gar nichts gegen den anderen Trick, den er die letzten Tage gelernt hat. Nachdem ich also notdürftig etwas gewischt habe und Paul mit einem Löffel in der Hand beschäftigt ist, kommt eine Phase, in der er mich in Sicherheit wiegt. Ohne große Probleme isst er einige Löffel und scheint sich wirklich auf das Essen zu konzentrieren, um dann plötzlich mit einem schelmischen Ausdruck im Gesicht eine große Ladung Brei mit lautem „Pffrrrr“ aus dem Mund zu prusten. Wunderbar, denkt mein pädagogisches Ich, der Kleine hat gelernt, die lustigen Laute, die man mit Wasser produzieren kann, auch mit Brei zu machen, eine erste lupenreine Transferleistung und das Ergebnis ist auch noch viel spektakulärer. Anstatt nur etwas Flüssigkeit zu verbreiten sind jetzt Papa und Tisch in diesen schönen Breifarben gesprenkelt, das ist mal eine riesige Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten für einen Säugling!

Ich bin also jeden Tag damit beschäftigt, neben der Befriedigung der Basisbedürfnisse auch die Lernschritte mitzumachen, was beim Essen dann ziemlich anarchisch werden kann, manchmal sieht es so aus, als wäre die Hälfte der Mahlzeit irgendwo auf mir oder meinem Sohn verschmiert. Eines kann ich auf jeden Fall von Paul lernen, Planung und die Vorstellung, wie es zu sein hat, ist das eine, das andere sind die Mühen der Ebene. Manchmal muss ich einfach sehr flexibel reagieren. Wenn er nicht essen will, auch wenn es jetzt eigentlich wirklich  an der Zeit ist, dann verschiebe ich die Prozedur einfach nach hinten. Der Hunger zeigt sich schon früh genug und dann bekomme ich mit etwas Glück auch mal eine Portion in meinen Sohn.

Und weil sie so schön ist, hier nochmals die Fütterungsszene aus Moderne Zeiten:

Charlie Chaplin – Eating Machine from Ms. Cassandra IHSL on Vimeo.

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